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Historischer Handschlag: „Macht es nochmal!“

Während auf ukrainischem Boden Soldaten, unbeteiligte Bürger und Kinder im Kugelfeuer sterben und vor Raketen fliehen, lädt die Initiative „Torgau für den Frieden" nach Nordsachsen ein. Kurz vor dem Jahrestag eines historischen Handschlags in Torgau, der als Symbol für das Ende des 2. Weltkrieges und den Frieden zwischen Amerikanern und Russen steht, fordern engagierte Demonstranten die Kriegsparteien erneut zur Versöhnung auf.

Das Foto ging nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs um die Welt: Drei Soldaten der amerikanischen und vier von der russischen Armee reichten sich am 25. April 1945 freundschaftlich die Hände, mit denen sie zuvor im jahrelangen Krieg die Waffen erheben mussten. Die Geste für Frieden und Verbundenheit machte die zerstörte Elbbrücke von Torgau, über die Bundesstraße eine knappe Autostunde nordöstlich von Leipzig entfernt, zum symbolträchtigen Ort. So wie die kleine Gruppe von Amerikanern und Russen damals vereint zueinander stand - so wünscht sich das die Friedensbewegung in Deutschland heute von den Vertretern der beiden Großmächte. Die Bewegung fordert gegenseitigen Respekt und gegenseitiges Verständnis auf der politischen Weltbühne. Damit der historische Handschlag von 1945 niemals vergessen wird, reisen seit damals jedes Jahr im April Menschen aus vielen Ländern nach Torgau, wo sie für die friedliche Verständigung zwischen den Völkern werben.

In diesem Jahr lud die Initiative „Torgau für Frieden" zum eigenen Friedensfest kurz vor dem Jahrestag ein. Der aktuelle Krieg in der Ukraine und die mit ihm verbundene weltweite Kriegsgefahr machen den Menschen Angst genug, um die Politiker auf russischer, amerikanischer und ukrainischer Seite eindringlich aufzufordern: „Macht diesen Handschlag jetzt nochmal!"

Die Bürgerinitiative hatte sich aus den Protesten gegen die verletzten Grundrechte während der Corona-Krise gebildet. Damit die junge Bewegung ihr Friedensfest am vergangenen Wochenende stemmen konnte, halfen mehrere Organisationen aus Mitteldeutschland, den Aktionstag in Torgau zu planen und umzusetzen.

Die gemeinsame Vorarbeit führte zum stolzen Ergebnis: Der Polizei zufolge kamen rund 400 Besucher zu Vorträgen, einem gemeinsamen Spaziergang und dem eigentlichen Fest. Die freie Journalistin Julia Szarvasy und Aktivist Eckhardt Schumann, der im ostsächsischen Bautzen Mahnwachen für Freiheit und Selbstbestimmung mit organisiert, führten die Gäste durch das Programm. Auf der Festbühne sprachen und sangen prominente Vertreter der Friedensbewegung, die von etablierten Medien zum Teil gerne der Szene der Verschwörungstheoretiker zugerechnet werden.

Als einer der offiziellen Redner berichtete Rap-Musiker Owe Schattauer von seinen jährlichen „Druschba-Friedensfahrten" nach Russland. Die Aktionsreisen versteht er als Zeichen der Völkerverständigung. Seine jüngste Fahrt führte ihn nach Chatyn in Belorussland, wo er ein Museum der staatlichen Gedenkstätte besuchte. Dort sei, so Schattauer, eindrücklich dokumentiert, wie deutsche Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg die Einwohner terrorisiert und etwa 11.000 Dörfer zerstört haben. Die Erinnerungen an die Gräueltaten seien in Belorussland allgegenwärtig. Schattauer kam zu dem Schluss, wer einmal so etwas gesehen habe, könne Waffenlieferungen grundsätzlich niemals gut heißen: „Wir sollten lieber tausendmal miteinander reden als einmal aufeinander zu schießen."

Der Sachbuch-Autor Wolfgang Effenberger thematisierte in seiner Rede die mutmaßlichen hegemonialen Machtansprüche der USA seit dem Ende des Ersten Weltkriegs bis heute. Diese hätten dazu geführt, dass die Nato-Armeen immer näher an die russischen Grenzen herangerückt sind. Damit stellten sie eine Bedrohung für die Souveränität Russlands dar. Effenberger mahnte: „Werfen wir das unheilvolle Narrativ 'Hier das Böse - dort das Gute' in den Mülleimer der Geschichte! Ächten wir den Krieg, und vor allem: wagen wir mehr Menschlichkeit!"

Per Videobotschaft meldeten sich der Psychoanalytiker und Coronamaßnahmen-Kritiker Hans-Joachim Maaz und der Theologe und Schriftsteller Eugen Drewermann zu Wort. Ebenso Wladyslaw Below, als Direktor des Zentrums für Deutschlandfragen und wissenschaftlicher Direktor des Europa-Instituts der Akademie der Wissenschaften in Moskau. Auch er erinnerte an den historischen Handschlag von Torgau. Russland und Amerika sollten nicht aufhören, miteinander zu kommunizieren. Dann griff er das Bild der zerstörten Torgauer Elbbrücke auf: „Zur Zeit haben wir die gebrochenen Brücken in unseren Köpfen und in den Beziehungen zwischen unseren Völkern. Und das darf nicht geschehen."

Psychoanalytiker Maaz erklärte, wer sich für den Frieden engagiere mache das Menschlichste, das überhaupt möglich sei. Krieg sei immer ein Symptom psychosozialer Krankheit. Dabei ging er auf die vielen von den USA geführten Kriege ein, die in Deutschland selten als völkerrechtswidrig dargestellt würden. Was aus der Mahnung „Nie wieder Krieg!" geworden sei, fragte Maaz. Und klagte an: Wer Waffen liefert, sei für das Töten.

Eugen Drewermann, als großer Mahner für den Frieden bekannt, ermunterte in seiner Videobotschaft dazu, beim Einsatz für eine friedliche Welt nicht nachzulassen.

Für Gänsehautmomente sorgte bei manchen Besuchern ein Kinderchor mit dem Lied „Kleine weiße Friedenstaube". Zum Schlussakkord ließen Aktivisten mehrere weiße Tauben zum Himmel fliegen. Den gemeinsamen Spaziergang durch Torgau führten historische Autos und Kombattanten in originalen Uniformen russischer und amerikanischer Soldaten von 1945 an. Am Denkmal der Begegnung ließen die Veranstalter einen Kranz niederlegen, ehe sich der Zug wieder zum Veranstaltungsgelände bewegte. Dort stimmte der „schwurbelnde Liederkönig und Heimatdichter aus Dresden" Yann Song King seine Friedenslieder an, gefolgt vom Duo Simone Voß und Jörg Förster, den Gruppen „Alien's Best Friends" und „Corona Bavaria" sowie Estéban Cortez.

Mehrere private Streaming-Plattformen übertrugen das Friedensfest der Initiative „Torgau für den Frieden" live im Internet. Auch Fernseh-Teams von „Chanel One Russia" und „Iswestija TV" berichteten aus Nordsachsen nach Russland. Von den lokalen Medien griff nur die „Torgauer Zeitung" den Aktionstag auf. Die Autorin ließ dabei die Denunzierung von Rednern, Künstlern und Besuchern nicht aus. So hatte sie angeblich während des Festes eine „Reichsbürger-Fahne" gesichtet, die von den Teilnehmern vor Ort allerdings niemand entdeckt hat.

Anmerkung der Redaktion: Im ersten Absatz des Textes waren uns in der ursprünglichen Fassung mehrere inhaltliche Fehler unterlaufen. Ein aufmerksamer Leser hat uns auf diese Fehler hingewiesen. Daraufhin haben wir den Text am 03.05.2023 korrigiert.


Beitrag zum Friedensfest im Ersten Russischen Fernsehen: https://vk.com/video-49388814_456277249

Video-Stream der gesamten Veranstaltung: https://rumble.com/v2jn2no-torgau-fr-frieden-22.04.2023.html

Fotos: Christian Günther (guenther-fotodesign.de)

Redaktion: Gerd Langosch
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Mittwoch, 15. Mai 2024