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Der gemeinnützige Rundfunk von morgen - Diskussionspapier

Und um nun positiv zu werden, das heißt, um das Positive am Rundfunk aufzustöbern, ein Vorschlag zur Umfunktionierung des Rundfunks: Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren. Deshalb sind alle Bestrebungen des Rundfunks, öffentlichen Angelegenheiten auch wirklich den Charakter der Öffentlichkeit zu verleihen, absolut positiv.

Bertolt Brecht: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat

Inhalt
1. Vorbemerkung
2. Auftrag des gemeinnützigen Rundfunk
3. Formen der Bürgerbeteiligung
4. Maßnahmen zur Qualitätssicherung
5. Organisationsstruktur
6. Medien- und Medienfinanzierungsgesetz

1. Vorbemerkung
Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Er ist vielmehr der Versuch, Ideen, Vorschläge und Konzepte für den gemeinnützigen Rundfunk von morgen zusammenzuführen mit dem Ziel, theoretische Überlegungen, praktische Erfahrungen und visionäre Vorstellungen zu einem detaillierten Konzept zu verdichten. So sollen Leitlinien sichtbar werden, mit denen sich einzelne Modellprojekte und der übergeordnete nationale Rahmen gleichermaßen entwickeln, gestalten und unterhalten lassen. Es geht darum, dieses Papier in einem offenen Diskurs mit allen Interessierten fortzuschreiben, die bereit sind, sich am Prinzip der Gewaltfreiheit zu orientieren. Der Inhalt verdankt sich aktuell im Wesentlichen den Vorschlägen des Medien- und Kommunikationswissenschaftlers Professor Dr. Michael Meyen, des Leipziger Bürgerrats im Media Future Lab der Universität München und der Publikumskonferenz vertreten durch Maren Müller.

2. Auftrag des gemeinnützigen Rundfunk
Der gemeinnützige Rundfunk ist unserem Grundgesetz und dem Völkerrecht verpflichtet. Als vierte Säule der Demokratie vertritt er die Rechte der Bürger (Souverän) gegenüber der Exekutive, Legislative und Judikative. Er gewährleistet die individuelle Grundversorgung im Hinblick auf Information und Kommunikation und ist verantwortlich für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, indem er die Vielfalt aller in ihr vertretenen Meinungen repräsentiert. Die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen kommen angemessen zu Wort. Die Auffassungen von Minderheiten werden berücksichtigt. Die Vielfalt der Meinungen, Geschehnisse und Gegenstände kommt angemessen zum Ausdruck. Darüber hinaus hat der gemeinnützige Rundfunk für Transparenz und die freie Verfügbarkeit von Wissen zu sorgen, um der Konzentration und dem Missbrauch von Macht vorzubeugen. Er ermöglicht den Bürgern die Nutzung der grundlegenden Funktionen des Internets auf der Basis offener Algorithmen und Quellcodes. Das beinhaltet eine eigene Suchmaschine, die Möglichkeit Ende zu Ende verschlüsselter Kommunikation per eMail und Chat, Blogs sowie Kommentar- und Bewertungsfunktionen. Mit seiner Arbeit setzt der gemeinnützige Rundfunk den Maßstab für höchste journalistische Qualität, indem journalistische und ethische Prinzipien eingehalten werden, wie Neutralität, Transparenz, Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit, Aktualität, Originalität und Komplexreduktion. Die journalistische Selbstkontrolle hat gemäß frei vereinbartem Pressekodex des deutschen Presserates, Artikel 1, die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit zum obersten Gebot.

3. Formen der Bürgerbeteiligung
Jeder Bürger ist berechtigt, die Angebote des gemeinnützigen Rundfunks (passiv) in Anspruch zu nehmen, indem er das Archiv, die Mediathek, die Suchmaschine, verschlüsselte eMail, den Chat und Text-, Audio-, Video- oder Streamingangebote nutzt. Gleichzeitig ist jeder Bürger aufgefordert, sich aktiv einzubringen, indem er kommentiert, bewertet, sich an Bürgerräten beteiligt (Basisdemokratie), Verbesserungsvorschläge einbringt oder sich zum Bürgerjournalisten weiterbildet. So kann sich jeder gleichzeitig für die Arbeit in einem Publikumsrat qualifizieren, der den gemeinnützigen Rundfunk kontrolliert und weiterentwickelt.

4. Maßnahmen zur Qualitätssicherung
Der Publikumsrat kontrolliert fortwährend, ob der gemeinnützige Rundfunk seinen Auftrag erfüllt, und kann Verantwortliche entsprechend sanktionieren. Dabei beobachtet er die angebotenen Inhalte kritisch, überprüft die Haushaltsplanung und erörtert die medienpolitischen, medientechnischen und medienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Senders. Außerdem wählt er den Intendanten und die Direktoren und überwacht deren Geschäftsführung. Der Publikumsrat wird bei seiner Arbeit durch einen unabhängigen wissenschaftlichen Beirat unterstützt, der gleichzeitig forschend tätig ist.

Der gemeinnützige Rundfunk ist frei von Werbung, arbeitet losgelöst von den Landesmedienanstalten, außer Konkurrenz zu den privaten Medien und publiziert unabhängig von Quoten und Reichweiten.

Feste Arbeitsverträge, eigene Statute und das Verbot von Outsourcing gewährleisten die Autonomie der Redaktionen.

Eine eigene Ombudsstelle bearbeitet als Vermittler zwischen Publikum und Redaktionen entsprechende Beschwerden und legt darüber jährlich öffentlich Rechenschaft ab.

Vertreter aller gesellschaftlichen Gruppen erhalten leichten Zugang zum Beruf des Journalisten über ein breit gefächertes, entsprechend angepasstes Aus- und Weiterbildungsangebot. Kommunikative Kompetenz und Dialogfähigkeit werden als mediale Kernkompetenzen besonders gefördert.

5. Organisationsstruktur
Ein nationaler Sender
bietet rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche über eine Internet-Plattform internationale und nationale Informationen mit Landesfenstern (Grundversorgung - kein Sport, keine Musik. keine Unterhaltung [meint reine Unterhaltungsformate in Gestalt von Spiel-, Quiz- und Musikshows sowie fiktionale Spielfilme und Serien; unterhaltsame journalistische Darstellungsformen wie satirische Beiträge, ironische Kommentare, längere Gesprächsformate, gefällig produzierte Chroniken oder popkulturelle Retrospektiven, die Menschen spielerisch in ernsthafte Themen einführen, sind dagegen möglich]). Darüber hinausgehende Angebote, darunter auch die von kommerziellen Anbietern, können wahlweise etwa über sogenanntes Micro-Payment (Bezahlung in Kleinstbeträgen) bezogen bzw. genutzt werden.

Lokale Sender bieten über die gleiche Internet-Plattform Informationen auf Landkreisebene an (Grundversorgung - entspricht der oben für die nationale Ebene beschriebenen). Auch hier können darüber hinausgehende lokale Angebote - etwa die von kommerziellen Anbietern - wahlweise bezogen bzw. genutzt werden.

Ein Programmaustausch findet auf lokaler und nationaler Ebene sowie zwischen den Ebenen statt.

6. Medien- und Medienfinanzierungsgesetz
Die oben ausgeführten Punkte werden in einem eigenen, neuen Gesetz festgeschrieben, in dem darüber hinaus festzuhalten ist:

Aufsichtsgremien des gemeinnützigen Rundfunks sind ein nationaler und der jeweilige lokale Publikumsrat. Die Besetzung eines Publikumsrats ist auf nationaler bzw. lokaler Ebene öffentlich auszuschreiben. Die Mitglieder werden im Losverfahren (ähnlich wie Schöffen) oder durch Wahlen (ähnlich der Sozialwahl) bestimmt und müssen die erforderliche Medienkompetenz nachweisen. Es ist nur eine Wiederwahl möglich. Die Tätigkeit eines Publikumsrats ist mit einem angemessenen Zeitbudget zu versehen und zu honorieren. Die Publikumsräte werden durch einen unabhängigen wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Sie erhalten Rechte, die denen von Parlamentariern vergleichbar sind. Dazu gehören ein verbindliches Fragerecht und das Recht, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen. Die Rechte der Publikumsräte sind gesetzlich einklagbar. Jeder Publikumsrat tagt öffentlich; die Beratungen werden live übertragen und ermöglichen dabei Rückfragen von Beobachtern. Außerdem sind die Publikumsräte verpflichtet, jährlich über ihre Arbeit öffentlich Rechenschaft abzulegen.

Die Grundversorgung finanziert sich aus zwei Euro pro Monat und Haushalt. Ein Euro fließt in den Haushalt des nationalen Senders (Budget von 480 Millionen Euro), ein Euro in den jeweiligen Lokalsender (Budget ab 600.000 € für kleinste Landkreise).

Fassung vom 24.01.23 als PDF-Datei herunterladen

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Kommentare 2

Gäste - Jens W.

am Samstag, 27. Mai 2023 21:04

Hallo,

finde die Initiative toll. Seit den Corona Ereignissen ist mir bewusst geworden, das uns nur eine reichweitenstarke Medienkraft retten kann. Zu der Zeit konnte man im Bekanntenkreis fachlich fundierte Daten teilen. Sobald die Tagesschau lief , war alles vergessen. Zitat meine Mutter, "Im Richtigen haben sie aber gesagt...." Da war mir klar, nur wenn wir selbst zu den "Richtigen" werden, können wir etwas verändern. Danke für eure Arbeit , und wenn ein Laie helfen kann bin ich gern bereit.

VG

Jens

Hallo, finde die Initiative toll. Seit den Corona Ereignissen ist mir bewusst geworden, das uns nur eine reichweitenstarke Medienkraft retten kann. Zu der Zeit konnte man im Bekanntenkreis fachlich fundierte Daten teilen. Sobald die Tagesschau lief , war alles vergessen. Zitat meine Mutter, "Im Richtigen haben sie aber gesagt...." Da war mir klar, nur wenn wir selbst zu den "Richtigen" werden, können wir etwas verändern. Danke für eure Arbeit , und wenn ein Laie helfen kann bin ich gern bereit. VG Jens

Martin Ruthenberg

am Samstag, 27. Mai 2023 21:50

Danke für deine Rückmeldung und das Hilfsangebot, Jens. Wenn du hier deine eMail-Adresse hinterlässt, kommen wir auf dich zu bwz. informieren dich über die weitere Entwicklung. Kann aber ein wenig dauern; wir sind noch in der Anschubphase

Danke für deine Rückmeldung und das Hilfsangebot, Jens. Wenn du [url=https://buergerfunk.news/buergerbeteiligung-gefragt]hier deine eMail-Adresse hinterlässt[/url], kommen wir auf dich zu bwz. informieren dich über die weitere Entwicklung. Kann aber ein wenig dauern; wir sind noch in der Anschubphase ;)
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Mittwoch, 15. Mai 2024